Neuigkeiten aus meinem Atelier – und was eine Blutvergiftung damit zu tun hat
Es gibt Neuigkeiten: Bei meiner Krankengeschichte bin ich endlich am letzten Kapitel angekommen. Und so langsam kann ich meine Energie wieder für andere Dinge nutzen. Für meinen Shop und neue Kunst zum Beispiel. 🙂
Wenn du dich ich jetzt fragst, was denn bei mir los war, kannst du unten weiterlesen, dort habe ich die ganze Sache kurz aufgeschrieben. Dann weißt du auch, warum in den letzten Jahren hier auf meiner Seite so wenig passiert ist.
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Einmal Sepsis, Koma und zurück – ein surrealer Trip
Hast du schon einmal etwas von Sepsis gehört? Denkst du auch, dass man sie an einem dunklen Strich am Unterarm erkennt? Weit gefehlt. Bis zum Dezember 2018 hatte ich von alldem auch keine Ahnung. Aber die Blutvergiftung ist allgegenwärtig und es kann jeden treffen – egal ob jung oder alt. Erst gestern habe ich gelesen, dass Norbert Blüm eine Sepsis erlitten hat und nach monatelangem Krankenhausaufenthalt mittlerweile gelähmt im Rollstuhl sitzt. Solche Nachrichten treffen mich jedes Mal sehr und ich wünsche jedem Betroffenen alles erdenklich Gute. Und auch der neue Corona-Virus kann bei schweren Verläufen zu einer Sepsis und Organversagen führen. Das Thema ist also brandaktuell.
Eine Sepsis ist tückisch und allzu oft tödlich. Deshalb bin ich bin verdammt dankbar, dass ich relativ heil aus der Sache herausgekommen bin. Aber was ist überhaupt passiert? Es war Winter, der Advent war in vollem Gange und mir ging es furchtbar schlecht. Da hab ich mir wohl schon wieder eine Grippe eingefangen, dachte ich.
Das ist doch nur eine Erkältung – oder?
Denn eigentlich kränkelte ich in den Jahren zuvor ständig. Aber das beunruhigte mich nur mäßig. Mein Mann und ich hatten 2015/16 ein Haus gebaut und beim Innenausbau viel selbst gemacht. Deshalb führte ich meine angeschlagene Verfassung darauf. Und ja, es hatte uns beide enorm geschlaucht. Im Sommer 2016 hatte ich außerdem schon einmal Bauchschmerzen und Durchfall und konnte kaum etwas essen.
Damals habe ich mir noch nicht viel dabei gedacht, weil es mir irgendwann wieder besser ging. Aber so richtig auf die Beine kam ich irgendwie nicht. Ich erinnere mich, dass ich beim Gießen der Pflanzen im Garten fast unter dem Gewicht der Gießkanne zusammengebrochen wäre. Und so schwer war die wirklich nicht. Vielleicht der Zeckenbiss vor einigen Monaten, dachte ich. Oder die fiesen Bremsenstiche, von denen ich gleich drei auf einmal hatte.
Da sah ich ganz schön alt aus – und monstermäßig grün
Da ich keine Person bin, die bei jedem Pieps sofort zum Arzt stürmt, habe ich das Ganze verdrängt und das Leben ging erst einmal normal weiter. Bis zum 10. Dezember 2018. Mir ging es immer schlechter und Erzählungen zufolge hatte mein Gesicht mittlerweile eine seltsame grüne Farbe angenommen. Also ging ich vernünftigerweise doch zur Ärztin – wohl gerade noch rechtzeitig. Okay, gehen ist zu viel gesagt: Ich hing im Wartezimmer und dachte ich müsste sterben. Und als die Ärztin mich sah, fragte sie meinen Mann: Ist das Ihre Mutter?
Auweia, wenn ich so scheiße aussehe, ist es übel, dachte ich. Und deshalb habe sofort zugestimmt, als die Ärztin mich ins Krankenhaus überwies. Das Krankenhaus im Nachbarort hat dann auch gleich geschaltet und mir unverzüglich zwei Blutkonserven verpasst – und mich anschließend an eine große Klinik mit Darmzentrum in Köln überwiesen. Denn der Verdacht lag da schon nahe, dass mein Darm etwas damit zu tun hatte.
Mit Vollgas ins Delirium
Mit Tatütata im Krankenwagen ging es also nach Köln. Nachdem ich erst einmal auf der Inneren lag und Cortison bekam, ging es mir zunächst besser. Doch ab irgendeinem Zeitpunkt kann ich mich nicht mehr klar erinnern. Da sind nur rätselhafte Fetzen, die zwar durchaus interessant sind, aber keinen Sinn ergeben. Ich weiß jedoch, dass ich eine Darmspiegelung hatte. Außerdem bekam ich eine Magensonde und eine lachende Frau malte mir einen Punkt auf den Bauch. Wie genau das alles ablief, weiß ich nicht mehr.
Raus mit dem Darm, rein ins Koma
Jedenfalls platzte am 13. Dezember mein Dickdarm. Ab da habe ich einen Filmriss. Ich wurde fünfmal notoperiert und lag eine Woche im künstlichen Koma – mit einer schweren Sepsis, einer Bauchfellentzündung und einer beidseitigen Lungenentzündung. Aus Erzählungen weiß ich, dass ich angeschwollen war wie ein Ballon und die Ärzte mit dem Schlimmsten rechneten.
Und dieses künstliche Koma sah nicht nur von außen übel aus, sondern war auch für mich mehr als heftig. Über diese krassen Erfahrungen und Halluzinationen schreibe ich aber ein andermal. Entweder starte ich eine Reihe weitere Blogposts oder schreibe gleich ein Buch über die ganze Sache und meinen Weg zurück – mir schwebt dabei etwas witziges vor, das Leser inspiriert. 😀
Hilfe, ich bin entführt worden
Aber zurück zum Geschehen: Irgendwann bin ich aus dem Koma geholt worden und dachte, dass ich entführt worden war und zu Tode gefoltert werden sollte – irgendwo weit weg von Zuhause in einem Haus auf einem einsamen Hügel. Deshalb war ich total geschockt, als ich plötzlich meinen Mann sah. Mist, jetzt haben sie den auch, ich muss ihn unbedingt warnen, dachte ich panisch. Deshalb krächzte ich mit irgendwelchem orangen Zeug im Mund verzweifelt: „Hau ab, hau ab!“ Der arme Kerl dachte schon, dass mein Gehirn das Koma nicht überstanden hätte. Aber er blieb.
Als ich immer mehr zu mir kam, habe ich irgendwann kapiert, dass ich mich null bewegen konnte – und ich einen Plastikbeutel am Bauch kleben hatte. Außerdem hatte ich eine riesige offene Bauchwunde, in die irgendwelche Schwämme eingelegt waren, die ich mir nie angeguckt habe – nicht mal aus dem Augenwinkel. Es stellte sich heraus, dass die Ärzte meinen Dickdarm mit Ausnahme des Mastdarms entfernen mussten und ich jetzt einen künstliche Darmausgang hatte. Durch die überstandenen Sepsis war mein rechter Arm noch immer gewaltig geschwollen – so wie bei Hellboy, allerdings mit einer Hand, die wie ein Schweinefuß aussah.
Von wegen Superheldin – nichts ging mehr
Und ich konnte nichts mehr: Nicht gehen, nicht sitzen – und auch nicht richtig sprechen. Das nennt man Post-Sepsis-Syndrom, das auch mit einer Erkrankung der Nerven (Critical-Illness-Polyneuropathie) einhergehen kann. Dabei sind Nerven und Gehirn betroffen – und die Muskeln sind geradezu verkümmert. Ich lag also komplett gelähmt auf der Intensivstation und wusste nicht wie mir geschah. Aber bis auf meinen Darm war immerhin alles noch da.
Zum Glück. Denn viele Betroffenen verlieren auch Hände und Füße – oder ihr Augenlicht. Na gut, mein Gehirn funktionierte nicht richtig. Irgendwie kamen falsche Worte aus mir heraus. Und sehen konnte ich auch nur eingeschränkt. Kurzum, ich konnte nichts und war komplett auf fremde Hilfe angewiesen. Und das fiel mir ziemlich schwer – aber ich hatte ja auch keine Wahl.
Sepsis- häh?
Leider wissen Ärzte und Pfleger insgesamt viel zu wenig über Sepsis und die Folgen. Das ist wohl weltweit ein Problem, aber Deutschland schneidet hier richtig schlecht ab. Ein Umstand, den ich tatsächlich nicht nachvollziehen kann. So gesehen hatte ich Glück, dass die Sepsis schnell erkannt wurde und ich die richtigen Medikamente bekam. Das ist nämlich nicht selbstverständlich und ich habe von viel zu vielen Fällen gehört, bei denen die Ärzte zu spät oder nicht reagierten. Leider.
Jedenfalls fehlt es auch an Wissen über die Folgen, wie zum Beispiel über das Post-Sepsis-Syndrom, das zu Bewegungsunfähigkeit und anderen Symptomen wie Konzentrationsstörungen führen kann. Deshalb dachten wahrscheinlich auch einige Ärzte und Pflegende, dass ich simuliere. Der Satz, Sie sind doch noch jung, schallte mehrmals täglich durchs Zimmer. Also ob das irgendwas zu sagen hätte – so ohne funktionierenden Bewegungsapparat.
Bis heute kann ich nicht verstehen, dass Sepsis nicht als eigenständige Krankheit gesehen wird – übrigens auch nicht von der Krankenkasse. Aber dazu später mehr. Sicherlich war das weder böse noch persönlich gemeint, aber es zeigt doch enorme Defizite in unserem Umgang mit dieser Krankheit.
Diese belastenden Umstände waren also nur der Tatsache geschuldet, dass Sepsis einfach nicht ernst genommen wird. Dabei ist sie die dritthäufigste Todesursache in Deutschland – vielleicht führt sie sogar noch häufiger zum Tod, da sie oft nicht erkannt wird. Und ich finde, es müsste eine Art Leitfaden für Ärzte und Pflegepersonal her – und eine Richtlinie für die Krankenkassen. Kurz gesagt: Eine richtige Therapie gab es für mich nicht. Ich konnte mich kein Stück bewegen und wurde als lethargisch abgestempelt.
Zurück, zum Glück
Mein Lichtblick waren die Physiotherapeuten, die mir glaubten, mich motivierten und wieder zurück ins Leben holten. Sie haben täglich eisern mit mir trainiert und genau die richtigen Dinge getan. Aber sie konnten nur den Grundstein legen: Als ich nach sieben Wochen nach Hause entlassen wurde, konnte ich noch nicht alleine aufstehen oder gehen und war vollkommen auf Hilfe angewiesen.
Da unser Gesundheitssystem Sepsis offenbar komplett ignoriert, stand mir keine Reha zu. Die Krankenkasse beachtete die Diagnose schlichtweg nicht. Dabei hätte ich eigentlich eine sogenannte Früh-Reha gebraucht, wie sie auch Schlaganfall-Patienten bekommen. Mithilfe meines Mannes und meiner Mutter habe ich es dennoch irgendwie hingekriegt. Sobald ich einigermaßen kriechen konnte, habe ich eben einfach mein eigenes Reha-Programm absolviert. Das war eine echte Quälerei – aber eine super gute. Und sie war ein voller Erfolg.
Wie ich es geschafft habe, wieder laufen und alles andere zu lernen, würde hier jetzt zu weit führen. Die ganze Geschichte gibt es dann ausführlich in weiteren Artikeln – oder in Buchform.
Meine Post-Sepsis-Power
Nur soviel: Das ganze hat Kräfte in mir mobilisiert, von denen ich nicht mal ahnte, dass ich sie habe. Und es hat mir einen vollkommen neuen Blick auf das Leben gegeben, denn es war körperlich und mental enorm herausfordernd. Und obwohl mir Philosophien wie Zen dabei geholfen haben, hat es mit Eso-Geschwurbel rein gar nichts zu tun. Ich erinnere mich trotz allem wirklich gerne daran, denn es war eine intensive und lehrreiche Zeit. Ich schreibe es auf, versprochen. 😀
Jedenfalls dauerte es etwa ein Jahr, bis ich wieder vollkommen bewegungsfähig war. Und im Januar 2020 war ich endlich so fit, dass ich mich wieder unters Messer gelegt habe. Und das keineswegs leichtfertig. Ehrlich gesagt hatte ich einen riesigen Bammel davor. Aber warum überhaupt eine erneute OP?
Her mit dem Skalpell – und weg mit dem Beutel
Obwohl mein Krankenhausaufenthalt schwierig für mich gewesen war, hatte ich dennoch Vertrauen in das Können der Ärzte. Denn die Chirurgen verstehen ihr Handwerk – und darauf kommt es ja auch an. Besser gut operiert in die Kissen weinen, als nach einer misslungenen OP gehätschelt zu werden. Denn trotz Not-OP bestand bei mir die Möglichkeit, meinen künstlichen Darmausgang (Stoma), wieder zurückzulegen.
Ich habe monatelang hin-und her überlegt. Ja, nein, warum? Ich bin gesund und mir geht es auch mit dem Beutel prima. Soll ich mich tatsächlich aufschneiden lassen? Whhuaa. Aber Ende Januar 2020 habe ich es gemacht – und es war ein voller Erfolg. Ein Leben mit Beutel ist schon okay – aber ich bin unendlich glücklich und dankbar, dass ich wieder ohne Leben kann. Die Bauchwunde muss noch heilen und ich darf noch nichts schweres tragen. Und mir fehlt der Sport. Aber ansonsten fühle mich super und bin Feuer und Flamme, endlich meinen Shop zu füllen und neue Bilder zu malen. Denn seit der ganzen Geschichte weiß ich es umso mehr zu schätzen,dass ich noch lebe und all diese tollen kreativen Dinge tun kann.
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Mehr Infos über Sepsis findest du unter anderem hier: https://www.sepsis-stiftung.eu/
Pingback: Ein neues Leben - Laumee Fries
Liebe Frau Fries,
vielen Dank für diese authentische, berührende und witzige Schilderung Ihrer Geschichte. Vieles von dem, was Sie berichten, hören wir auch von anderen Betroffenen: Sepsis ist leider zu wenig bekannt und anerkannt.
Ich hoffe, dass viele Menschen Ihren Bericht lesen und dadurch etwas über Sepsis erfahren.
Ihnen wünsche ich alles Gute, viel Kraft und Energie!
Herzliche Grüße im Namen des Teams der Sepsis-Stiftung,
Charlotte Rauch
Vielen, lieben Dank, Frau Rauch. Ich hoffe sehr, dass ich mit meinem kleinen Text etwas zur Aufklärung über Sepsis beitragen kann.