Warum wir Underdogs lieben – und was das mit deiner Kreativität zu tun hat

Underdogs sind beliebt: Beim Sport, in Geschichten oder im echten Leben faszinieren sie uns und wir drücken ihnen die Daumen. Dabei beeindrucken sie uns mit einer Menge Kreativität. Im Folgenden erzähle ich dir, was uns dabei so begeistert – und was das mit deiner eigenen Kreativität zu tun hat.
Was ist denn überhaupt ein Underdog?
Der Begriff stammt aus dem Hundekampf-Milieu. Okay, das ist ein halbseidenes und ziemlich tierquälerisches Thema. Und mir kommen dabei sofort Bilder von schwitzenden Kleinkriminellen in den Kopf, die in schlecht sitzenden Hemden zerknitterte Geldscheine in Empfang nehmen. Und einer der Hunde, auf die das johlende Publikum bei diesen fragwürdigen Veranstaltungen wettet, ist eben ein Underdog: Ein tapferes Tier, das vielleicht zu klein und zu schwach ist – oder nur auf drei Beinen läuft.
Was macht einen dahergelaufenen Hund so besonders?
Trotz dieser miesen Ausgangssituation stellt sich ein Underdog unerschrocken seinem Schicksal. Er kämpft um sein Leben – gegen die Siegertypen, die geborenen Kämpfer, mit geschmeidigen Muskeln und glänzendem Fell. Er stellt sich den Topdogs, die alle Voraussetzungen haben und es gewohnt sind zu gewinnen – egal ob in irgendwelchen dunklen Ecken der Stadt oder im alltäglichen Leben.
Interessant, dass einige tatsächlich auf den Underdog setzen, oder? Dabei müssten doch alle auf den strahlenden Siegertyp wetten, damit sie ordentlich Kohle machen. Aber nee, selbst hier wirkt der Underdog-Effekt. Denn wir lieben diese Kämpfer, die einfach nicht aufgeben. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Jura-Studentin auf dem Sofa mit Rocky mitfiebert. Oder ob irgendwelche Kleinkriminellen dem Terrier mit dem zotteligen Fell zujubeln.
Du kennst doch auch diese Geschichten, in denen der Held oder die Heldin von einer vollkommen aussichtslosen Situation aus startet. Die Chancen, dass das heldenhafte Vorhaben klappt stehen bei eins zu einer Million – mindestens. Das passiert Frodo im Herrn der Ringe ebenso wie der isländischen Fußballmannschaft bei der EM. Frodo gewann am Ende tatsächlich, die Isländer kamen immerhin ins Viertelfinale.
Die innere Einstellung macht den Unterschied
Underdogs haben schlechte Voraussetzungen: Sie sind weder reich noch mächtig – und glänzen meist auch nicht mit übermenschlichen Kräften. Aber die größte Stärke des Underdogs ist seine Einstellung zum Leben:
- eine unbändige Leidenschaft und eine innere Vision
- Durchhaltevermögen – einfach weitermachen und nicht aufgeben
- um die Ecke denken und Wege gehen, die Topdogs nicht mal als Wege erkennen
- rebellisch sein und gegen Konventionen gehen
Was hat das mit Kreativität zu tun?
Ziemlich viel. Genau genommen sind die schlechten Voraussetzungen eine Art Kreativitätstraining. Der unterlegene Hund braucht prima Ideen, um nicht vollkommen den Kürzeren zu ziehen. Und das wahrscheinlich schon sein Leben lang. Vielleicht musste er schon als Welpe um seinen Anteil kämpfen. Vielleicht hat er sich auf der Straße herumgeschlagen und ist allen Gefahren immer clever ausgewichen.
Na gut, jetzt hat ihn halt ein blöder Hundekampf-Fan erwischt. Aber das kennt der Underdog ja. Das Leben ist kein Wunschkonzert. Aber die Hindernisse und Unwägbarkeiten halten ihn oder sie nicht auf – im Gegenteil. Das unterscheidet den Underdog von den Losern: Das sind nämlich die armen Schweine, die bei Gegenwind gleich klein beigeben – oder unentwegt ihr schweres Schicksal beweinen.
Denn schlechte Voraussetzungen machen noch lange keinen kreativen Lebenskünstler. Echte Underdogs begegnen dem Leben vielmehr mit einer Mischung aus Trotz, Lebensfreude und Ehrgeiz. Wenn sie dabei um die Ecke denken und ihre Stärken ausspielen, tricksen sie auch einen überlegenen Gegner aus. Ein Underdog beißt sich durch und stellt auch liebgewonnene Konventionen auf den Kopf. Denn Ansehen oder gesellschaftliche Regeln spielen keine große Rolle.
Von ungleichen Kämpfen und den Siegen der Unterlegenen
Der Politikwissenschaftler Ivan Arreguín-Toft hat Anfang der 2000er eine interessante Untersuchung zu diesem Thema angestellt. Er hat 202 Kriege genauer betrachtet und analysiert, wie oft der Unterlegene gewonnen hat. Okay, okay, wir kommen von diesem kämpferischen Thema einfach nicht weg. Aber das Leben ist halt auch ein Kampf – leider.
Zurück also zu Herrn Arreguín-Toft, denn seine Auswertungen beeindrucken: Er untersuchte ausschließlich Auseinandersetzungen, bei denen eine Partei zehnmal so stark war wie die andere – sei es durch Waffen oder die Größe der Armee.
In 71,5 Prozent der Fälle gewannen die Topdogs. Aber 28,5 der Kämpfe gingen an die Underdogs.
Das ist schon mal überraschend. Wie kommt das? Arreguín-Toft fand heraus, dass die Unterlegenen immer dann gewann, wenn sie ihre Kreativität einsetzten und sich nicht an Konventionen hielten. Er sah allerdings auch, dass die Underdogs sich meistens den Regeln des Stärkeren unterwarfen– und verloren.
Bei seinen 202 untersuchten Auseinandersetzungen kämpften die Underdogs 152 Mal konventionell. Dabei verloren sie insgesamt 119 der Kämpfe.
Das heißt aber im Umkehrschluss, dass sich die Unterlegenen bei 50 Kämpfen nicht um die Konventionen scherten. Von diesen unkonventionellen Underdogs gewannen sagenhafte 63,6 Prozent die Auseinandersetzung.
Das Fazit dieser Untersuchung lautet: Wenn sich die Unterlegenen auf ihre Stärken besonnen und den Gegner mit unkonventionellen Aktionen überraschten, gewannen sie überproportional oft.
Was heißt das für das normale Leben?
Ganz einfach: Besinne dich auf deine Stärken. Oft bedeutet Kreative*r zu sein, eine Außenseiterrolle in unserer Gesellschaft einzunehmen. Das ist zwar kein Muss, ist aber leider oft so. Und vielleicht hast du zusätzlich schlechte Startbedingungen gehabt. Gib deshalb erst recht dein Bestes und beiße dich durch – immer wieder.
Denn Durchhaltevermögen zeichnet einen Underdog aus. Dabei ist nicht gemeint, dass du immer stur das Gleiche versuchst und immer wieder scheiterst. Probiere lieber etwas Neues aus, gib der Maßnahme eine gewisse Zeit zu wirken – oder ändere deine Strategie, wenn es nicht funktioniert. Scheitern gehört allerdings einfach dazu.
Traue dich, Konventionen und Traditionen über Bord zu schmeißen. Deine Stärke ist, dass du getrost darauf pfeifen kannst. Du hast gesellschaftlich ohnehin nicht viel zu verlieren. Das ist nämlich die andere Seite der Geschichte: Die Topdogs lehne dich oft ab, denn schließlich zerstörst du ihre liebgewonnenen Konventionen.
Deshalb braucht du als Kreative*r oft ein dickes Fell – oder Verbündete. Wenn du Lust darauf hast, suche dir Gleichgesinnte, denn das macht die Sache oft einfacher. Aber nur, wenn ihr wirklich an einem Strang zieht.
Also los: Sei ein Underdog und habe Spaß
Du hast vielleicht kein fettes Budget oder Topkontakte, dafür aber super Ideen und Improvisationstalent. Vergleiche dich nicht mit irgendwem, der offensichtlich bessere Startbedingungen hatte. Setze auf deine Stärken, denn sie sind ein Geschenk und keine Selbstverständlichkeit.
Besonders als Kreative*r stellst du dein Licht oft unter den Scheffel – weil du nicht erkennst, wie wertvoll deine Fähigkeiten sind. Mache sie dir bewusst und stelle dich selbstbewusst den Herausforderungen. Dass es kein Kinderspiel ist, aber dennoch klappen kann, beweisen Underdogs im Leben, in Geschichten und im Sport jeden Tag.
Kreativität, Durchhaltevermögen, eine gewisse Rebellion und ein unerschütterlicher Glaube an sich selbst sind dabei ihre größten Verbündeten. Underdogs im Sport haben viele Fans, aber im Leben weht dir allzu oft eine ziemlich steife Brise entgegen. Aber hey, das ist doch die Herausforderung, oder?
Not macht erfinderisch – wenn wir sie denn erkennen
Wir brauchen kreative Leute wie dich. Denn es ist offensichtlich gar nicht so gut, dass wir es uns in einer durchorganisierten Welt so bequem gemacht haben. Denn so müssen wir einfach zu selten unseren Grips anstrengen. Dabei bleiben Kreativität und Erfindergeist allzu oft auf der Strecke.
Kunst scheint uns heute überflüssiger denn je – sie ist in vielen Bereichen zu einer reinen Geldmaschine verkommen. Dabei haben wir durch all unsere technischen Errungenschaften die Kreativität keineswegs überflüssig gemacht. Im Gegenteil: Wir haben heute gigantische Probleme – den Klimawandel zum Beispiel. Dabei könnte uns Kreativität richtig gut helfen. Blöderweise ist das für unser Gehirn zu abstrakt und wir erkennen die Not nicht als solche.
Jugendliche, die sich für das Klima einsetzen verkörpern dabei eigentlich all das, was einen Underdog ausmacht. Sie sind vielleicht nicht arm oder aus einem Drittstaat. Aber sie sind jung und werden oft nicht ernst genommen.
Gut, sie haben Unterstützung. Aber ihnen schlägt auch eine Menge Hass entgegen. Das ist eben der Nebeneffekt, wenn man auf die Konventionen pfeift und etwas anderes probiert. Die Mechanismen, die dabei ablaufen sind, interessant und soziologisch wahrscheinlich keineswegs neu. Wenn du gegen die Norm gehst, regen sich so manche Altvorderen mächtig auf. Das kenne ich selbst zur Genüge. Und du wahrscheinlich auch, denn es ist bei kleinen Dingen im Leben genauso, wie bei den großen Angelegenheiten. Aber die konventionellen Topdogs haben es schließlich auch verbockt und ehrlich gesagt, kommt außer Gegenwind wenig Originelles.
Deshalb brauchen wir heute dringend mehr kreative Visionäre. Und mehr mutige Underdogs und von mir aus auch Topdogs, die sich auf Ihre Kreativität besinnen.
Aber denke dran: Nur vermeintlich unterlegen zu sein, rechtfertigt weder Gewalt noch Hass. Denn ich finde, echte Underdogs haben Mitgefühl mit allen Lebewesen, erkennen mehr als Schwarz und Weiß und setzen sich für Frieden und Miteinander ein. Denn das erfordert genau den Mut und all die anderen Qualitäten, die einen Underdog ausmachen.
Underdogs machen dich kreativ
Ach übrigens: Eine Studie fand folgendes heraus: Wenn du Geschichten von Underdogs liest, steigert das deine Kreativität messbar. Geschichten von Siegertypen mit tollen Voraussetzungen ließen die Studienteilnehmer hingegen kalt.
Also greife lieber zu einem Buch oder Film mit einem Underdog als Hauptfigur – und lass Superhelden mal außen vor.